Iran - 10.000km Orient
Iran - 10.000 Kilometer Orient
Im September 2015 starten Conny und Frank (Canadier) für knapp 2 Monate mit ihrem VW-Bus Richtung Iran.
Dieses Land gehört weniger zu den klassischen Reiseländern, die bürokratischen Hürden für die Einreise sind hoch und die Informationen über dieses Land in den Medien zwiespältig. Dennoch eine Reise, die sie nicht mehr missen möchten.
Mit weichen Knien steigen wir auf dem eingezäunten Parkplatz am Fußballverein in Istanbul aus dem Auto. Geschafft! Dass wir und unser Wagen heil hier angekommen sind, grenzt an ein Wunder. Denn die letzte Stunde hatte es in sich. In drei Tagen sind wir über den Balkan angereist. Bis eben steckten wir in der Rush-Hour des 14-Millionen-Molochs Istanbul.
In der Türkei läuft der Verkehr anders als in Deutschland. Irgendwann suchte ein Bus hinter uns den Kontakt zu unserem T4, dann steckten wir in den engen Gassen der Altstadt fest. Im Gewirr aus Menschen, Autos, Lastenträger und Lärm schlugen sich plötzlich mehrere Männer vor unserem Auto. Wir wichen in eine Parallelgasse aus, so gut es der Verkehr zuließ.
Ein Autofahrer muss sich wohl in seiner Ehre verletzt gefühlt haben, weil wir uns vor ihm in den Verkehr einfädelten. Jedenfalls stand er kurz darauf neben unserem Bus, schrie, tobte und tritt gegen das Auto … Austeigen und Einhalt gebieten? Eine Schlägerei riskieren? Dann hätten wir den Urlaub sicher in türkischer U-Haft fortsetzen können. Irgendwann rollten wir Stoßstange an Stoßstange weiter. Leider verfolgte uns dieser Irre immer weiter, mehrfach stellte er sein Auto quer vor uns, blockierte den Verkehr und brüllte herum. Nach einer gefühlten Ewigkeit und mehreren Baustellenumleitungen kamen wir dann doch ans Ziel.
An den nächsten beiden Tagen erkunden wir die Stadt, schlendern durch den weltgrößten Basar und genießen das orientalische Flair. Hier treffen Welten aufeinander. Frauen in Burka sind ebenso präsent wie junge Mädchen in bauchfreien Tops. Diese Stadt ist in mehrfacher Hinsicht Schnittstelle zwischen Europa und Asien.
Nach einem Relaxtag am Schwarzen Meer mit Sonnenschein und Badebucht für uns ganz allein, landen wir irgendwann auf „Kayas Camping“ in Kappadokien. Der Chef spricht gut Deutsch, die Sanitäranlagen sind okay und W-Lan haben wir auch am Auto.
Der Wecker klingelt – viel zu früh!!! Es ist 6 Uhr und noch nicht einmal richtig hell. Heute wollen wir uns das Aufsteigen der vielen Ballone ansehen, für das Kappadokien neben seiner skurrilen Landschaft berühmt ist. Unseren Standort haben wir gut gewählt, da wir vom Campingplatz aus einen grandiosen Blick über das Tal haben. An die 100 Heißluftballone, mit je 10 – 20 Touristen an Bord, steigen mit den ersten Sonnenstrahlen in den Morgenhimmel.
Ein beeindruckendes Bild, wie sich so viel „bunte Bälle“ lautlos am Himmel bewegen. Nur gelegentlich hören wir das Fauchen der Gasbrenner. Nach dem Frühstück erkunden wir die Gegend mit Kamera und Wanderschuhen. Die Tuffsteinfelsen haben die unterschiedlichsten Farben und Formen. Immer wieder treffen wir auf große und kleine Höhlenwohnungen, die die Einwohner hier schon vor vielen tausend Jahren aus dem weichen Fels geschlagen haben. Selbst Kirchen wurden aus dem Stein gemeißelt. Wir sind beeindruckt!
Zwei Tage später rollen wir über meist gute und oft einsame Landstraßen weiter Richtung Osten. An den dauerhaften Fernblick in überwiegend gelben Farbtönen müssen wir uns erst gewöhnen. Keine Tausend Kilometer mehr bis zur iranischen Grenze! Wir genießen ein starkes Gefühl von Freiheit und mittags Kebab in unterschiedlichen Qualitäten zu sehr kleinen Preisen. Übernachtungsplatz ist Anatolien
Auf der Suche nach einem abendlichen Lagerplatz abseits der Straße stoßen wir auf das Camp eines Imkers und seiner Frau. Neben den Bienenkästen stehen zwei kleine Zelte und ein Verschlag aus Plastikplanen ist als „Küche“ eingerichtet. Natürlich können wir hier auch übernachten. Ob wir etwas brauchen? Cay (Tee)? Ekmek (Brot)? … Wir richten erst unseren Lagerplatz etwas abseits her, dann lassen wir uns noch auf einen Tee einladen, ohne den in der Türkei gar nichts geht. Ein Sprichwort sagt, wenn Du nicht mindestens 6 Cay am Tag trinkst, bist Du in der Türkei noch nicht angekommen. Na ja, wir gleichen den fehlenden Cay mit Kaffee aus. Schade nur, dass die Verständigung mit den netten Leuten nur mit Händen und Füßen gelingt, selbst mit dem Wörterbuch sind schnell die Kommunikationsgrenzen erreicht. Schwierige Verständigung auch mit dem Wörterbuch – im Camp beim Imker
Am nächsten Tag fahren durch eine grandiose Felsenschlucht. Viele Kurven ab und zu ein paar kleine Tunnel und immer wieder Graffitis mit PKK-Symbolen. Etwas später ein ausgebranntes Auto … nanu, ein Unfall? Da noch ein Wrack, dann noch mehr LKW-Ruinen, plötzlich stehen wir in einer Straßensperre. Eine junge Frau mit Kalaschnikow und Handgranaten am Gürtel hat uns gestoppt. Dann kommen noch zwei Frauen und zwei junge Männer dazu. Ja, hier ist PKK-Gebiet, kein Problem, hier sind wir sicher. Alle hier am Kontrollposten sind sehr nett und freundlich, wir fühlen uns keinen Moment unsicher. Kampfspuren kurz vor dem PKK-Posten
Der Munzur Milli Park, unser heutiges Tagesziel, ist eher enttäuschend – zumindest nach der eindrucksvollen Landschaft, die wir bisher durchfahren haben. So schlagen wir an einem Fluss einfach nur unser Lager auf und genießen mal einen ruhigen Nachmittag mit Kaffee, Lesen und Tagebuchschreiben. Nach einer gut geschlafenen Nacht fahren wir wieder zurück auf unsere Hauptroute Richtung Iran. Schon bald stehen wir wieder am PKK-Posten und werden wie alte Freunde begrüßt und auf einen Cay eingeladen. Da der grad nicht zur Hand ist, spendiert die Chefin vom Posten Fanta aus Plastikbechern, Conny hält eine Tafel Schokolade in die Runde. Der Abschied ist freundschaftlich und herzlich, mit Umarmung und Küsschen auf beide Wangen. Herzliche Begegnung am Kontrollposten
„Guck mal, da isser …“ Endlich sehen wir mit eigenen Augen den 5.137 Meter hohen Ararat. Für uns eine wichtige Wegmarke und Zeichen, dass wir nah der iranischen Grenze sind. Leider ist die schneebedeckte Spitze in den Wolken versteckt. Durch ein kleines Dorf fahren wir so nah wie möglich an den Berg, um bei dem dunstigen Wetter wenigstens einigermaßen gute Fotos zu machen. Der Ararat zeigt sich leider wolkenverhangen
Ein etwas verwittertes Schild in Dogubeyazit, der letzten Stadt vor der iranischen Grenze verspricht viel: Lalezar Camping „Restaurant, Hot Shower 24 h, WiFi …“ Na da sind wir doch genau richtig für unsere letzte Nacht in der Türkei! Die Ankunft auf dem Platz ist ernüchternd. Nix Hot Shower, nix WiFi, nix sauber, nix gute Laune! Heute aktivieren wir erstmalig auf der Tour unser Chemieklo.
Es ist schon dunkel, da rollt doch tatsächlich noch ein deutscher VW-Bus auf den Platz. Gerald will ebenfalls in den Iran, aber vorher noch einen Abstecher nach Georgien machen. Im Schein der Stirnlampen wird es noch ein ganz gemütlicher Abend.
Da wegen dem eskalierenden Konflikt der türkischen Regierung mit den Kurden nicht nur die Polizei in Panzerfahrzeugen unterwegs ist, sondern auch alle „kleinen“ Grenzübergänge in den Iran geschlossen sind, bleibt uns nur der Weg über Bazargan, der unter Fernreisenden keinen guten Ruf hat. Wir werden das in Kürze bestätigen können. Auf türkischer Seite verläuft die Abfertigung schnell und problemlos. Dann öffnet sich das große Metalltor und wir rollen in den Iran. Ab jetzt ist einiges anders. Conny muss ständig ein Kopftuch tragen, kurze Hosen sind ebenfalls tabu, Alkohol sollte keiner im Auto sein und wir schreiben hier das Jahr 1394.
Die Grenzabfertigung verläuft hier nicht von Kontrollpunkt zu Kontrollpunkt, mit einer gewissen Übersicht. Statt dessen gibt es eine Abfertigungshalle, in der wir uns alle Stempel besorgen müssen. Natürlich müssen wir uns nicht selber bemühen, ein gut organisiertes Team von Schleppern kümmert sich sofort um alles. Wir zahlen lediglich eine Gebühr hier, ein Bakschisch da … Mit dem unguten Gefühl, ordentlich „abgezogen“ worden zu sein, fahren wir nach 2 Stunden auf iranischen Straßen weiter.
Auf iranischen Straßen tagsüber mit Licht fahren, geht gar nicht. Jeder Fahrer im Gegenverkehr macht mich auf das „versehentlich“ eingeschaltete Licht aufmerksam und der Blinker wird durch die Hupe ersetzt. Die Verkehrsregeln sind hier auch denkbar einfach: Wer zuerst fährt, hat Vorfahrt.
Auf dem Parkplatz hinter einer Kirche, der hier lebenden armenischen Minderheit, finden wir einen ruhigen Platz für die Nacht. Obwohl der Bau eher unscheinbar wirkt, ist sie ein wichtiges Heiligtum der Armenier.
Unser heutiges Tagesziel ist Kandovan, am westlichen Hang des über 3.700 Meter hohen Sahand. Das Dorf ist das Gegenstück zum türkischen Kappadokien. Hier sind allerdings die Wohnhöhlen noch in Benutzung. Da heute Freitag, also der iranische Sonntag ist, laufen wir mit vielen Tagesausflüglern durch die engen Gassen.
In einem fast ausgetrockneten Flussbett werden Autos geparkt, Teppiche zum Picknick ausgebreitet, ja sogar ein Zelt steht hier. In einem kleinen Lokal sitzen wir auf dem Teppich und essen Mittag. Immer wieder werden wir von den Iranern angesprochen, ob sie uns oder sich mit uns fotografieren können. Oder sie werfen uns im Vorbeigehen ein „Welcome to Iran“ zu. Diesen Satz werden wir noch unzählige Male hören.
Wir stehen auf dem Parkplatz vor der Karaftu-Höhle ganz im Westen des Landes in Kurdistan. Gestern sind wir in der Abenddämmerung nach einem langen Fahrtag angekommen. Nach einer ruhigen Nacht besichtigen wir die Höhle, die als eine der größten des Landes gilt und in der Vergangenheit sogar bewohnt war. Obwohl es hier Beleuchtung gibt, sind wir doch froh, unsere Stirnlampen dabei zu haben.
Wir beschließen, den Rest des Tages auf dem ruhigen Parkplatz vor der Höhle zu verbringen und erst am nächsten Morgen weiterzufahren. Ein paar Mal kommen noch andere Besucher. Fast alle kommen nach der Besichtigung an unserem Auto auf einen „Small Talk“ und ein paar Fotos vorbei.
Höhepunkt ist eine Gruppe kurdischer Intellektueller, die uns mit „You are not in Iran, you are in Kurdistan“ begrüßen. Einer der Herren, die alle gut im kurdischen Stil gekleidet sind, ist Buchautor. So bekommen wir zum Abschied zwei Bücher über die kurdische Kultur und Geschichte mit persönlicher Widmung.
Als nächstes geht es zum Namak-Salzsee in der Kavirwüste. Die Strecke zieht sich. Wir fahren durch endlos weite, wüstenähnliche Landschaften, die nur spärlich besiedelt sind. Wir bekommen ein Gefühl dafür, dass der Iran ein wirklich großes Land ist, fast 5x so groß wie Deutschland.
Plötzlich stehen wir in einer Polizeikontrolle. Auf einer 60er Strecke wurden wir mit 97 Kilometer pro Stunde gelasert. Demütig reiche ich meinen deutschen Führerschein aus dem Fenster. Die beiden jungen Polizisten schauen ratlos auf die Plastikkarte, dann auf mich. Mit „We love Germany“ werden wir ohne Strafzahlung entlassen.
Die abendliche Suche nach einem Übernachtungsplatz ist auch heute wieder recht einfach. Runter von der Straße, noch ein Stück Weg, dann einfach ins Gelände. Doch bevor wir den Abend gemütlich bei einem gepflegten iranischen Ananasbier (natürlich alkoholfrei) ausklingen lassen können, wartet noch eine Komplettreinigung unserer Reserve-Lebensmittelkiste samt Inhalt auf uns. Denn eine Fischdose hat die heutigen 20 Kilometer Wellblech bei einer Umleitung nicht überlebt.
An Kashan vorbei nähern wir uns der Kavirwüste und dem dort gelegenen Namak-Salzsee. An einem kleinen Kontrollposten, an dem sich jeder registrieren muss, der dort in die Wüste fährt, gibt Abas uns noch seine Telefonnummer mit. „Call me, if you have a problem“.
Über eine Wellblechpiste geht es jetzt in moderater Geschwindigkeit dem Salzsee entgegen. Da hier auch Salz abgebaut wird, kommt uns immer wieder mal ein entsprechend beladener LKW älteren Baujahres entgegen. Mehrfach sehen wir Kamele, ansonsten sind wir hier allein unterwegs. Dann fahren wir Kilometer um Kilometer auf einer Salzpiste. Die leeren Salzpolygone reichen bis zum Horizont. Es scheint, als könnten wir die Erdkrümmung mit bloßem Auge erkennen.
Irgendwann landen wir an der Karawanserei in Maranjab, die uns zum Übernachten nicht zusagt. Also fahren wir wieder Richtung Kashan. Als wir an recht hohen Sanddünen vorbeikommen, biegen wir nach links von der Piste ab und finden einen schönen Übernachtungsplatz.
In den nächsten zwei Tagen haben wir die Stadt Kashan auf dem Plan. Wir tauchen in die hektische Betriebsamkeit und den quirligen Verkehr, mit seinen ewig gleich knatternden Motorrädern, Auspuffabgasen und Lärm ein. Da ist ein Gang durch die schattigen Gewölbe des Basars schon richtig erholsam, zumal das Thermometer weit über 30 Grad anzeigt.
Eine alte knarzige Holztür, ein paar Stufen abwärts und stehen wir in einem alten Hamam, das zum Teehaus und Restaurant umfunktioniert wurde. Ruhe, angenehme Temperatur, ein kleiner Springbrunnen und zwitschernde Vögel laden zum Verweilen ein. Orientalischer kann der Orient kaum sein! Mit einem Tee, zu dem noch Datteln und Kekse gereicht werden, genießen wir dieses einmalige Flair. Beim Chef Ali tauschen wir noch 100 Euro und verlassen das Lokal als Multimillionäre mit knapp 4 Mio. Rial in der Tasche.
Bevor wir am Abend aus der Stadt fahren, kaufen wir noch Tomaten, Zwiebeln, Brot und ein paar Getränke. Highlight beim Einkauf sind eine Tüte „Bagett“ bei einem Bäcker, fast wie unsere heimischen Frühstücksbrötchen, nur etwas größer – dafür im Preis erheblich kleiner. Nach dem Einkauf wollten wir versuchen, hinter ein paar Sanddünen einen ruhigen Platz für die Nacht zu finden.
Trotz langer Suche konnten wir aber keinen akzeptablen Übernachtungsplatz finden. So haben wir nahe Esfahan einfach am Rand einer Schotterpiste übernachtet. Lediglich einmal näherte sich kurz nach dem Einparken ein PKW ohne Licht und hielt neben uns. Nach meinen ersten Worten in Englisch spüre ich Erleichterung bei den beiden Männern. „Nu Farsi?“ (Keiner Perser?) fragen sie anscheinend erleichtert. Habe ich mich getäuscht, oder habe ich eine Alkoholfahne aus dem Auto gerochen? Na vielleicht war es auch nur ein strenges Rasierwasser. Jedenfalls fahren die beiden zufrieden – jetzt mit Licht am Auto – wieder davon.
Mit dem ersten Morgenlicht rollen wir in die City von Esfahan. Auch hier ist der Verkehr wie überall völlig chaotisch. Irgendwann landen wir aber auf einem bewachten Parkplatz mit Klo in der Innenstadt.
Von hier brechen wir dann zum großen Imamplatz und den umliegenden Sehenswürdigkeiten auf. Der Platz ist riesig, die Freitagsmoschee ebenso. Leider verhindern ungünstige Lichtverhältnisse und ein Baugerüst im Innenhof gute Fotos. Abendbrot essen wir in einem „Fastfood-Lokal“. Bei uns eher ein abwertender Begriff, ist alles was westlich wirkt hier angesagt.
Es ist schon lange dunkel, als wir auf den Parkplatz zum Auto zurückkehren. Doch statt Ruhe finden wir eine böse Überraschung: Der Platz ist restlos belegt und die kleine unscheinbare Blechtür an der großen Hauswand, neben unserem Auto, entpuppt sich als Hintereingang zu einem Einkaufszentrum und ist dementsprechend frequentiert. Wir campen quasi keine 5 Meter neben dem Eingang! Bleibt nur noch das Bett im Auto als letzter Zipfel Privatsphäre.
Am nächsten Morgen sehnen wir uns nach Ruhe. Am Rande der Stadt tanken wir, kaufen noch ein paar Lebensmittel ein und füllen unsere Wasserkanister. Dann rollen wir Richtung Nordosten. Wüste, wir kommen!
Auch wenn hier mehr LKW fahren als erwartet, tut es unserer Begeisterung für die Landschaft keinen Abbruch. Schon am frühen Nachmittag verlassen wir die Straße und folgen einer Spur im Sand, dann noch ein Stück offroad und wir parken an einem schönen Plätzchen mit Superfernblick ein.
Glücklich wie kleine Kinder genießen wir unseren Kaffee im Schatten der Markise. Ein leichter Wind hält die Temperatur hier auf einem angenehmen Niveau. Conny wäscht ein paar Kleidungsstücke in der Faltschüssel, die dann in Rekordzeit auf der Leine in der Sonne trocknen.
Unsere inneren Uhren haben sich den äußeren Umständen angepasst. Hier wird es gegen 18 Uhr dunkel. Meist essen wir im letzten Tageslicht Abendbrot und liegen dann schon mit einem Buch in der Hand gegen 20 Uhr im Bett. Dafür verpassen wir morgens selten einen Sonnaufgang.
„Guck mal da, was sind das denn für Leute?“ Am Rand eines kleinen Wüstendorfes im Schatten einiger Bäume sehen wir etliche weiß gekleidete Männer. Betriebsausflug des örtlichen Krankenhauses? Wir halten an und nähern uns der Gruppe.
Hier rasten etwa 25 bis 30 Pilger, die auf dem Weg von Mashad nach Kerbala im Irak sind. Die 2.600 Kilometer (!) wollen sie in etwa 3 Monaten zurücklegen. Wir werden zum Mittag eingeladen und gleich mal mit Tee und Datteln bewirtet. Mit zur Gruppe gehören drei kleine LKW, auf denen das Gepäck, Wasser und die Gebetsteppiche mitgeführt werden. Übernachten können die Männer alle kostenlos bei Gastfamilien entlang der Strecke.
Nach dem Mittagsgebet kommt ein Auto und liefert das Essen. Auch wir bekommen jeder eine Portion Reis mit etwas Lammfleisch und Sauce, dazu noch ein Eis. Kurz vor dem Abschied führt man noch einen blinden älteren Mann zu uns, ich begrüße ihn sehr herzlich und respektvoll. Beim Abschied kullern sogar ein paar Tränen bei Conny. Die Begegnung mit den Pilgern bleibt einer der emotionalen Höhepunkte unserer Reise.
Auch die nächsten beiden Nächte verbringen wir in „Wüstencamps“ mit traumhaft schönem Rundum-Fernblick. Langweilig ist die Wüste nie.
Wir kommen nach Yazd, der südlichsten Stadt unserer Reise. Nach dem üblichen Verkehrschaos landen wir in der Innenstadt auf einem kleinen Hinterhof, der zum Parkplatz umfunktioniert wurde. Wir parken direkt neben einem großen Schrotthaufen. Schön ist es hier weiß Gott nicht, dafür aber citynah.
Wir bummeln durch die Geschäftsstraßen, durch die engen Gassen der Altstadt, mit ihren Lehmbauten, bestaunen Moscheen und die großen Windtürme, für die Yazd bekannt ist. Mittags essen wir im „Silkroad Hotel“. Hier treffen wir auch auf ein Paar aus München, die mit dem Rucksack und öffentlichen Verkehrsmitteln den Iran bereisen.
Irgendwann werden uns Hitze und Lärm in der Stadt doch zuviel, wir flüchten in eine Moschee. Hier spricht uns ein Mann an und fragt mit Gesten, ob wir Mittagsruhe halten wollen. Na klar! Er führt uns hinter einem Vorhang und weist auf eine Holzpritsche, auf der ein Teppich liegt. Mittagschlaf in der Moschee – mal wieder eine neue Erfahrung für uns.
Als wir wieder am Auto zurück sind, ist es bereits dunkel. Ich erkläre dem Parkplatzwächter, dass wir im Auto schlafen und morgen weiterfahren wollen. Das sei kein Problem, er ginge aber gegen 21 Uhr nach Hause und schließe den Platz dann ab. Das Tor würde sich dann erst wieder am nächsten Tag 9 Uhr wieder öffnen. Wir haben damit kein Problem, so haben wir wenigstens unsere Ruhe – es sollte aber ganz anders kommen …
Da der Feuertempel der Zoroastrier nicht sehr weit entfernt liegt, machen wir uns noch zu einer Besichtigung auf den Weg. Diese Religion, die oft auch als Vorläuferreligion des Islam bezeichnet wird, gründet auf den Lehren Zarathustras. Die Anhänger leben heute überwiegend in Indien und dem Iran. Der Tempel selber ist nicht sonderlich spektakulär, das Feuer, dass wir leider nur durch eine Glasscheibe sehen können, soll bereits über 400 Jahre brennen.
Wieder zurück im Auto klopft es kurz vor 21 Uhr an die Tür. Der Parkplatzwächter will das Tor abschließen, wir sollen jetzt fahren. Die vorherige Absprache scheint vergessen, „Parking Hotel!“ macht er uns barsch klar. So verlassen wir etwas überstürzt und ungeplant den ungastlichen Schrott-Parkplatz und suchen uns nach einer spannenden Nachtfahrt durch Yazd außerhalb der Stadt einen Übernachtungsplatz. Die Auto- und Motorradfahrer sind hier sehr sparsam, nicht jeder verschwendet Strom für Licht am Fahrzeug. So hat diese Tour noch ihren besonderen Reiz.
Unsere Kompassnadel zeigt jetzt wieder nordwärts. Nach einem langen Fahrtag in Regen, Gewitter und mit erheblichem Temperatursturz haben wir nach längerem Suchen einen akzeptablen Übernachtungsplatz gefunden – zwar von der Straße einsehbar, aber inzwischen ist es ja dunkel.
Doch plötzlich kommt Besuch – Polizei! Mit Rotlicht (statt Blaulicht). Die Polizisten bedeuten uns, ihnen zur Polizeiwache zu folgen. „Passport!“ Dann wird ein Protokoll handschriftlich verfasst, jeder der Dienst hat, steht mit im Raum. Irgendwer bringt 2 Gläser und eine Kanne Tee. Jetzt soll ich das Protokoll unterschreiben – natürlich kann ich kein Wort der persischen Handschrift lesen – ein paar Sekunden staunender Blick vom Chef, dann folgt allgemeines Gelächter im Büro.
Die Situation ist entspannt. Wir sollen direkt vor dem bewachten Tor des Polizeipostens übernachten, da wären wir sicher. Der Chef zeigt mir noch eine SMS mit ein paar englischen Zeilen. „Es tut ihm Leid, dass er uns nicht weiter helfen könne ..“ und „Welcome to Iran“. Besonders gut haben wir wegen des Verkehrs nicht geschlafen, dafür sehr sicher – dank des Postens mit der Maschinenpistole 2 Meter hinter unserem Wagen.
Da wir gut in der Zeit liegen, beschließen wir, nicht auf kürzestem Weg zur türkischen Grenze zu fahren, sondern noch einen Abstecher in die nördlichen Berge an der Grenze zu Armenien zu machen. Das Wetter ist inzwischen deutlich kühler geworden, die Bergspitzen über 3.000 Meter sind weiß. Wir fahren durch kleine Dörfer und haben das Gefühl, dass hier noch nie ein Ausländer durchgefahren ist. Man starrt uns an und erwidert nur selten unseren Gruß. Etwa 2 km abseits der kleinen Bergstraße finden wir einen einsamen Übernachtungsplatz – mal wieder mit toller Fernsicht. Der nächste Morgen ist klar und kalt. Wir frühstücken im Auto.
Plötzlich läuft ein Tier keine 50 Meter vor unserem Auto vorbei: Ein Wolf! Gott sei Dank habe ich die Kamera schnell zur Hand und kann ein paar Fotos schießen. Zwar gegen die Morgensonne und durch die Scheibe – aber immerhin überhaupt Bilder. Ein paar Meter dahinter folgt ein zweiter Wolf. Der bemerkt uns allerdings, macht gleich aus dem Stand einen Satz zur Seite und weicht aus. Nach ein paar Metern guckt er aber doch noch einmal zurück – die Neugier siegt über die Angst. Wir können kaum glauben, was wir eben erlebt haben. Mal einen Wolf in freier Wildbahn zu sehen, haben wir uns immer gewünscht und dabei an Skandinavien, Kanada oder Russland gedacht. Aber hier im Iran?!
Wir fahren durch ein schmales Tal entlang eines kleinen Flusses, dessen Wasser durch die Sedimente rotbraun gefärbt ist. Am anderen Ufer liegt zunächst Armenien, dann die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan. Ab und zu findet sich ein kleiner Grenzturm auf iranischer Seite, schwer bewacht wirkt die Grenze allerdings nicht. Uns kommen zahlreiche LKW entgegen, die zwischen Nachitschewan und Aserbaidschan verkehren, da der direkte Weg durch Armenien gesperrt ist.
PKW sind hier eher selten – doch da kommt einer – sogar ein deutscher VW-Bus! Mensch, das ist Gerald aus Weimar, den wir vor 4 Wochen in der Türkei getroffen haben. Über eine halbe Stunde tauschen wir unsere Erlebnisse im Schnelldurchlauf aus, dann geht es wieder weiter.
Irgendwann stehen wir wieder am Grenzübergang in Bazargan. Dank der unermüdlichen „Helfer“ sind wir nach 30 Minuten durch die iranische Abfertigung, allerdings warten wir auf türkischer Seite dann noch über 2 Stunden.
Zügig rollen wir durch die Türkei und wollen entweder am Schwarzen Meer oder Marmarameer noch ein paar Tage Relaxurlaub machen. Leider bleibt es bei dem Plan, da weder das Wetter mitspielt, noch die vorhandenen Campingplatze.
So kommen wir ein paar Tage eher als geplant nach 10.000 Kilometer Orient und 14.000 Kilometer gesamt wieder gut zu Hause an. Beeindruckt hat uns die unglaubliche Gastfreundschaft, Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft der Menschen im Iran. Wir kommen gern wieder.
Über den Autor:
Frank Moerke betreibt bei Berlin eine Kanuschule, die auf die Canadierausbildung spezialisiert ist (www.canadier.com) Wenn er nicht im Kanu unterwegs ist, entdeckt er mit seiner Partnerin gern fremde Landschaften und Kulturen fernab ausgetretener Wege im VW-Bus.
Fotos: © Frank Moerke
Vorbereitende Maßnahmen für die Reise ... Visa etc.
So haben wir es gemacht:
- Über eine Agentur in Teheran haben wir uns eine Referenz-Nr. besorgt, die Grundlage für die Visa-Beschaffung ist. Gebühr 45,- € p.P., Bezahlung über eine "Deckadresse in der EU (hat alles reibungslos geklappt)
- Visa über die Botschaft in Berlin besorgt (1 Woche Bearbeitungszeit), Kosten 50,- € p.P.
- ADAC-Mitglied geworden (Preisvorteil beim Carnet de Passage")
- beim ADAC Carnet de Passage beantragt (ADAC-Mitgleider zahlen 185,- €, sonst 290,- €), dazu 5.000,- € Kaution (richtet sich nach Fahrzeugwert) überwiesen, Rückzahlung erfolgt sehr zügig nach Rücksendung des Carnets
- bei Auto-Versicherung die Türkei in die Grüne Karte miteintragen lassen (Karte muss an grenze vorgelegt werden)
- an der iranischen Grenze eine Haftpflichtversicherung (100,- € inkl. fettes Bakschisch vermutlich) für unser Auto abgeschlossen, geht für PKW und Womo auch bei Tour Insure in HH, 208,- € pro Monat (leider nicht für LKW)
- Reisekrankenversicherung war eh vorhanden, sollte man aber dran denken
- in Iran gibt es keine Möglichkeit auf Geld vom eigenen Konto zurückzugreifen, Geldautomat, Kreditkarte geht alles nicht, man muss also für alle Fälle Cash dabei haben
- Geldwechsel am besten einen mittleren Betrag an der Grenze bei den "Geldwechslern" eintauschen, Falschgeld ist kein Thema, Tricks auch nicht, aber auf einen akzeptablen Kurs (z.Z. etwa 1: 38.000) achten. Im Land auch lieber privat wechseln, bei Banken sehr lange Wartezeiten
- Navigation: Mit ner Navi-App und Kartendownload auf dem Tablet, dazu Karte und auch gelegentlich mal fragen
- Diesel: an Tankstellen (nicht in Innenstädten) an denen auch Trucks zu sehen sind, gibt es Diesel über die "Dieselkarte" des Tankwarts. Der rechnet meißt den doppelten Preis ab, aber bei Tankrechnungen von 7 - 9 € grinst man da trotzdem nur
Ich hoffe, ich habe jetzt nichts wesentliches vergessen .... Das waren mal so aus dem Bauch raus unsere Wege, um in den Iran zu kommen.