Italien Venedig
Autor: Dokafun
Venedig ist eigentlich in der Wahrnehmung vieler Touristen ein klassisches Ziel für eine Tagestour. Über 90% aller Besucher der Stadt sind reine Tagestouristen. Nur ein Bruchteil der Besucher hat die Zeit oder nimmt sich die Zeit, ein wenig tiefer einzutauchen in eine der faszinierendsten Städte der Welt. Mit einem Rundgang über den Markusplatz mit Dogenpalast und Campanile, die Rialtobrücke und die Seufzerbrücke ist es meistens bereits getan, ein paar Bilder von auffliegenden Tauben auf dem Markusplatz, vielleicht sogar noch die Ehegattin beim Füttern aus der Hand fotografiert und schon ist die Postkarten-Idylle perfekt.
Und wenn es hoch kommt für 120€ eine Fahrt mit der Gondel auf festgelegten Routen mit 1-2 Liedern des mehr oder weniger schmierigen Gondoliere gegen extra Bezahlung.
Ja, auch das ist die Dame Venezia, wie sie sich ein wenig als bezahlte Schlampe für Touristen präsentiert, den Espresso am Markusplatz für 12 €, dafür aber ebenso 12 Stunden lang den Stehgeiger mit wehmütigen Melodien aus irgendwelchen Puccini-Opern oder sogar ungarische und österreichische Gassenhauer der vergangenen Jahrhunderte. Manchmal ist die Musik sogar richtig schön. Und wenn man eine Pizza essen will, löhnt man so eben mal 35€ incl. Tischwein und coperto und irgendeinem ungeniessbaren Dessert, welches in der Speisekarte noch mit Tiramisu bezeichnet wird. Und dann kommt man noch günstig weg.
Ich gestehe, dass Venedig meine überhaupt nicht versteckte Geliebte ist, es zieht mich immer wieder zu ihr hin. Ich kann nicht von ihr lassen. Und eigentlich ist sie reiner Hochadel, von allerbestem Geblüt, sie muss sich halt nur ab und zu mal was dazu verdienen. Nicht ohne Grund trägt Venedig auch den Beinamen La Serenissima („Die Allerdurchlauchteste“). Venedig ist verrückt, verrückt schön, und das nicht nur im berühmten Karneval. Nein, jede Hochzeit und jeder Todesfall wird regelrecht inszeniert.
Wenn ich Venedig mit irgend einer anderen Stadt auf der Welt vergleichen will, fällt mir wirklich nur Las Vegas ein. So abstrus das vielleicht auf den ersten Blick klingen mag: Beide Städte haben wirklich viel gemeinsam. Irgendwie ist alles etwas überzeichnet, etwas zu groß, etwas zu bombastisch, eben inszeniert. Vieles wirkt künstlich und aufgesetzt. Nicht ohne Grund klaut Las Vegas von Venedig, in dem dort im Hotel Venice quasi ein Stück von Venedig nachgebaut ist - einschließlich Kanälen und Gondoliere, Karnevalskostümen und Kristall-Leuchtern aus Murano. Aber all das gibt es in Venedig im Original. Und dieses zu begreifen, gelingt nicht in einem Tag und auch nicht in einer Woche. Da muss man einfach öfter hin, sich von verschiedenen Seiten annähern und auch auf verschiedene Arten. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Und ja, Venedig ist auch ein Einkaufsparadies. Nie wieder sind die Kinder so oft vor Schaufenstern stehen geblieben. Und da gab es nicht nur Kitsch und die üblichen Mitbringsel. Richtig tolle Sachen, handwerklich ganz große Kunst, Mode par excellence. keine Billig-Ware aus China. Da sind die Venezianer viel zu stolz dazu. Auch wenn sie angeblich die Nudeln von Marco Polo aus China genommen haben. Irgendwie müssen sie ja dahin gekommen sein.
Die Altstadt von Venedig ist auf insgesamt 118 Inseln gebaut, die durch eine Vielzahl von Kanälen durchzogen und und mit weit über 400 Brücken wieder verbunden sind. Zahllos sind auch die repräsentativen Palazzi, die die Kanäle säumen.
Einen dieser Palazzi wollte ich immer einmal haben, um dort unseren Altersruhesitz einzurichten. Diese Geliebte Venezia jedenfalls hätte mir meine Ehefrau gestattet. Aber irgendwie bin ich noch nicht dazu gekommen. Wahrscheinlich weil ich noch nicht alt genug bin. Aber so wie mir geht es offenbar etlichen anderen auch. Von den insgesamt knapp 300.000 Einwohnern der Stadt sind keine 500 Deutsche. Das glaubt man kaum.
Jeder der Inseln besitzt eine Piazza, auf der sich das öffentliche Leben abspielt. Der Markusplatz als früheres Machtzentrum wird von öffentlichen Gebäuden, insbesondere dem Dogenpalast, den Prokuratien, von Bibliotheken und Museen sowie der Markuskirche und dem Campanile gesäumt. Abends ist dort die Stimmung am schönsten. Da trifft man dann auch tatsächlich einmal etliche Einheimische. Und wenn man dann gar keinen Rucksack dabei hat und auch noch ein wenig chic angezogen ist, dann erweist man der Stadt die Ehre, die ihr gebührt. Und die Venezianer geben einem den Respekt zurück, den man selbst ihrer Stadt entgegen bringt.
Wenn man in Venedig ist, sollte man sich in jedem Fall ein oder zwei Tage Zeit nehmen, um die Inseln Murano und die weniger bekannte Insel Burano zu besuchen. Murano ist für seine Glasproduktion weltberühmt geworden und zu Recht auch geblieben. Meines Erachtens wird dort immer noch Kunsthandwerk in höchster Vollendung vollzogen. Königshäuser aus aller Welt beziehen seit Jahrhunderten dort ihre Kronleuchter. Wir auch, zumindest einen plus 4 Wandlampen haben wir uns für unser Esszimmer im venezianischen Stil schicken lassen. Der kam in einem 1 Kubikmeter großen Karton in 1000 Einzelteilen an und musste wie bei IKEA-Möbeln zusammen gesetzt werden, nur ohne den berühmten Imbus. Tatsächlich waren nur 2 Teile durch den Transport beschädigt worden, was aber kein Problem darstellte, weil ein paar Ersatzteile gleich mitgeliefert worden waren. Natürlich haben wir nicht so kitschige Sachen genommen wie auf den Bildern.
Dafür durften die Kinder und wir auch den Glasbläsern beim Fertigen wunderschöner Blumen, kleinen Pferdchen und Vasen zuschauen, für alle ein Erlebnis. Ich hatte dies vor 35 Jahren das erste Mal und hatte es nicht vergessen.
Keinesfalls vergessen sollte man auch Fahrten mit dem Vaporetto, das sind in Venedig quasi die Wasser-Linienbusse. Die Tageskarten sind echt billig. Man kommt damit überall hin und spart sich lange Fußmärsche von einem Ende zum anderen Ende der Stadt. Ruhig mal an verschiedenen Stationen aussteigen und bei dem nächsten Schiff wieder einsteigen. So lernt man Venedig am besten kennen. Die Vaporettos fahren auch zu den inseln Murano und Burano. Und wenn man es etwas schneller haben will, mietet man sich ein Motorboot oder bekommt die Fahrt geschenkt, weil man sich um ein hingefallenes kleines Mädchen gekümmert hat und dadurch das Vaporetto verpasst hat, das Mädchen aber zufälligerweise die Tochter eines reichen venezianischen Kaufmannes war, der sogleich herbeigelaufen kam und es sich nicht nehmen ließ, die "Retter" direkt zum Hotel fahren zu lassen. Da muss man doch noch mal auf die Seufzerbrücke im Abendlicht zum Abschied schauen.